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Hanni und Peterli




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Vor sehr langer Zeit fand einmal ein schrecklicher Krieg statt. Während dieses Krieges erlebte eine Frau namens Hanni eine seltsame Geschichte, die ich gerne erzählen möchte. Hanni war eine von wenigen Überlebenden, die vor den kriegerischen Barbaren in ein fernes Land flüchten musste. Hanni war eine sehr starke Persönlichkeit, deshalb sammelte sie alte verletzte Menschen und Kinder auf ihrem langem Weg ein, führte und betreute sie so gut sie konnte. Die Menschen waren in dieser trostlosen Zeit sehr froh, eine solch menschliche Stütze in Hanni zu finden. Manchmal fühlte Hanni sich mit dieser Aufgabe überfordert, aber sie dachte sich immer, es sei wohl ihr Schicksal, das ihr vorbestimmt war, deshalb nahm sie es auch an.

Eines Tages kamen sie mit ihrer kleinen Gruppe von Überlebenden an einer schmalen Waldlichtung vorbei. Die Sonne schien ein wenig durch das dichte Gehölz. Plötzlich vernahm sie dort ein Geräusch. Es kam aus dem Unterholz. Sie ging näher heran und stocherte mit ihrem Stock leicht zwischen dem Erdboden und den Blättern. Zuerst dachte sie, es sei ein Vogel, aber als sie sich bückte und einige Blätter von dem Haufen auf die Seite schob, fand sie eine verletzte Tigerkatze. Es war ein Kater und er fürchtete sich sehr und konnte sich nicht bewegen. Seine Pfote blutete sehr stark und er hatte eine grosse Schramme am Kopf und ein Teil des linken Ohres war abgerissen. An einem Auge war er blind. Vorsichtig schob sie die restlichen Blätter beiseite und nahm ihn auf ihren Arm. Dann ging sie zu ihrer Gruppe zurück. Sie versorgten seine Verletzungen und packten ihn in ein Tuch, das Hanni vor ihrer Brust trug.







Hanni taufte ihn Peterli. Nach wenigen Tagen ging es Peterli schon wieder viel besser und bald konnte er schon selber wieder gehen. Er war sehr anhänglich und lief wie ein kleiner Hund neben Hanni, oder vor ihr her. Manchmal fing er sich eine Maus und verzehrte sie genussvoll. Es war der einzige Leckerbissen, den er bekommen konnte. In der Nacht kuschelte er sich in Hannis Arme und schnarchte, dass sich die Balken bogen. Aber Hanni war jede Nacht so müde von dem langen Fussmarsch, dem schweren Rucksack, den sie mit sich herumschleppte und der grossen Verantwortung, die sie für die Menschen trug, dass sie jedes Mal sofort einschlief.

Peterli war ein sehr gelehriger Kater. Er mochte alle Menschen, die mit Hanni unterwegs waren und spielte mit jedem. Die alten Menschen nahmen ihn gerne in die Arme und er liess es sich gerne gefallen und fing immer sofort zu schnurren an. Peterli konnte auch schwimmen. Wenn sie an einen kleinen See kamen, oder einen langsam fliessenden Fluss, sprang er zur Belustigung aller hinein und schwamm eine kleine Runde. Pudelnass kam er wieder aus dem Wasser und wollte sofort trocken gerieben werden. Manchmal brachte er Hanni eine Maus, oder gar einen Vogel. Er wollte damit seine Dankbarkeit kundtun. Er war ein sehr guter Jäger und auch ein guter Wächter.

Aber nicht immer war es so friedlich. Sie mussten sich vor den Barbaren in Acht nehmen. Sie lauerten überall und plünderten und raubten, was sie gerade brauchten. Eines Nachts, es war Vollmond und der helle Schein erleuchtete die kleine Bergmulde, in der sie übernachteten. Hanni wurde plötzlich von einem lauten Geräusch geweckt. Peterli zerrte an ihrem Jackenärmel und gab schreiende Laute von sich. Hanni war sehr müde und dachte, dass Peterli vielleicht spielen wollte. Sie drehte sich auf die Seite und schloss ihre Augen. Aber sie kam nicht zur Ruhe. Wiederum sprang Peterli auf sie und zerrte an ihrer Jacke, dann machte er wieder diese seltsamen Geräusche. Da hörte Hanni plötzlich Fussgetrampel und Stimmen in weiter Ferne. Sofort war ihr bewusst, dass es nur Barbaren sein konnten. Während sie aus ihrem Schlafsack schlüpfte, schrie sie laut, sodass alle aufwachten. In diesem Moment kamen auch schon die Barbaren herangestürmt. Die Menschen liessen alles liegen und stehen und liefen, so schnell sie konnten. Es kam zu einem Handgemenge. Hanni wurde von hinten an den Haaren gepackt und zu Boden gerissen. Da hörte sie plötzlich einen lauten Schrei. Sie drehte sich auf den Rücken und sah, wie Peterli auf den Kopf des Barbaren gesprungen sei und ihn biss und kratzte. Der Barbar spuckte in seinem Schmerz tausend Flüche aus, packte Peterli beim Kopf und schleuderte ihn gegen einen Felsen. Hanni hörte nur noch ein lautes quitschen, dann lag Peterli regungslos zwischen Taschen und Decken auf der Wiese.

Plötzlich gab es eine laute Explosion und die Barbaren liefen schreiend wieder in die gleiche Richtung zurück, aus der sie gekommen waren. Dann sah Hanni ein paar Männer, die mit Waffen bestückt den Barbaren hinterherliefen. Im Moment dachte sie nur an Peterli. Sie nahm ihre Taschenlampe, die sie immer in ihrer Hosentasche eingesteckt hatte und suchte Peterli. Als sie ihn fand, war er bereits tot. Sein Kopf war zerschmettert und an der Felsklippe klebte noch das Blut. Sie nahm Peterli in ihre Arme, so, wie sie ihn damals verletzt in der Waldlichtung fand und trug ihn an eine Stelle zwischen den Felsen, wo ein paar Blumen wuchsen.

Als die Sonne am Morgen am Horizont aufging, versammelten sich alle um Peterli, ihren treuesten Freund, der für alle sein Leben hergab. Sie begruben ihn zwischen den Felsen und legten einen bunten Blumenstrauss auf den kleinen Erdhügel. Ein älterer Mann zog ein kleines Holzschneidebrett aus seiner Tasche und schrieb den Namen Peterli drauf. Er legte es auf die Erde und befestigte es links und rechts mit einen Stein. In diesem Moment ist über der kleinen Gruppe Menschen, die weinend um das Grab von Peterli standen, ein bunter Regenbogen aufgegangen, der den gesamten Himmel bedeckte. An diesem unvergesslichen Tag wollte Niemand mehr ein Wort sprechen.



Natascha Koch







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